Newsletter SPKoM Q1/2025

SPKoM Newsletter

Der LVR fördert sieben Sozialpsychiatrische Kompetenzzentren Migration (SPKoM). Aufgabe dieser Kompetenzzentren ist es, den Zugang zu sozialpsychiatrischen Hilfen für Menschen mit psychischer Erkrankung und Migrationshintergrund zu erleichtern und die Interkulturelle Öffnung in der Sozialpsychiatrie weiter zu entwickeln. 

Mit dem Newsletter der SPKoM im Rheinland möchten wir Sie über aktuelle Entwicklungen informieren und Veranstaltungshinweise, Infomaterial und Literaturhinweisezukultur- und differenzsensiblen Themenbereichen bekannt machen.

Rückblick

Mitten in Corona-Zeiten machte sich das SPZ Meckenheim gemeinsam mit der Schuldnerberatung, beides Fach- abteilungen des SKM – Kath. Verein für Soziale Dienste im Rhein-Sieg-Kreis, auf den Weg, das Siegel „Interkulturell orientiert“ des Rhein-Sieg-Kreises zu erwerben. 

Das Siegel „Interkulturell orientiert“ stellt ein Qualitätsmerkmal dar und verdeutlicht den Stand der interkulturellen Orientierung einer Verwaltung, einer Einrichtung bzw. einesUnternehmens. Es soll Organisationen unterstützen, sich in einer demografisch im Umbruch befindlichen Gesellschaft weiter zu entwickeln. Für die grundlegende Gestaltung einer offenen Gesellschaft in Vielfalt und Diversität ist die interkulturelle Öffnung und Orientierung der Institutionen und Einrichtungen von zentraler Bedeutung. 

Interkulturelle Öffnung wird als ein umfassender Prozess der Organisationsentwicklung verstanden, der sich auf verschiedenen Ebenen der Organisation (Leitbild und Ziele, Personalentwicklung und Angebote) bezieht und als Beteiligungsprojekt innerhalb und mit den Akteuren vor Ort zu organisieren ist und wird verliehen vom Kommunalen Integrationszentrums des Rhein-Sieg-Kreises. 

 

Was bedeutete das konkret für uns und wie hat es funktioniert? 

  • Wir haben unser Leitbild entsprechend der Vorgaben überprüft und, wo nötig, ergänzt. 
  • Wir untersuchten genau, wo wir schon interkulturelle Kompetenz in unserer Einrichtung besitzen und wie wir sie in unserem Berufsalltag nutzen. 
  • Flyer, Veröffentlichungen und Informationen über unser Angebot auf Homepage und sozialen Medien wurden auf Barrierefreiheit und Sprachvielfalt durchforstet und wo möglich und nötig entsprechend angepasst. Besonders ins Blickfeld ist dabei auch das Thema „Leichte Sprache“ gekommen, zu dem wir uns auch weitergebildet haben. 
  • Allen Mitarbeitenden wurden verschiedene Workshops angeboten. Wir im SPZ haben die Module „Interkulturelle Kompetenzen“, „Diversität und Anti- Diskriminierung“ und „SIM-Beratungssetting“ als Inhouse-Schulungen in Meckenheim durchgeführt. Die vom LVR geförderten Veranstaltungen waren sehr wertvoll und die sehr engagierten Referent*innen halfen uns dabei, unser Verhalten, aber auch unsere Wahrnehmung und unser Denken zu sensibilisieren, um Vorurteile abzubauen und die Kommunikation zu verbessern. Dies merken wir vor allem auch in unseren Eingliederungshilfe-Bausteinen im SPZ, die mittlerweile von zahlreichen Klient*innen mit Migrationshintergrund angenommen werden. Und wie die „Abstimmung mit den Füßen“ zeigt, bleiben sie uns auch längerfristig erhalten. 
  • Wir haben im Rahmen verschiedener Aktionen, z. B. „Pink gegen Rassismus“ klar Stellung bezogen und das Thema „Interkulturelle Öffnung“ weiter vertreten. 
  • Nicht zuletzt haben wir auch neue Mitarbeitende mit Migrationshintergrund eingestellt. Dies nicht um Quoten zu erfüllen, sondern es hat sich einfach ergeben und unser berufliches Bild noch einmal erweitert

Am 18. November 2022 bekamen wir dann im Rahmen einer Feierstunde vom Kommunalen Integrationszentrum in Siegburg gemeinsam mit anderen Einrichtungen das Siegel „Interkulturell orientiert“ verliehen. In zwei Jahren stellen wir uns der Re-Zertifizierung, da die Gültigkeitsdauer des Siegels auf diesen Zeitraum beschränkt ist. Wir freuen uns auf den weiteren Prozess der Re-Zertifizierung und sind gleichzeitig sehr demütig geworden mit Aussagen wie: „Bei uns ist das kein Problem, wir behandeln alle gleich“, oder: „Ich habe doch keine Vorurteile!“ Interkulturelle Kompetenz ist kein statisches Abarbeiten von Normen oder Regeln, sondern muss im täglichen beruflichen wie privaten Handeln und Leben nachgewiesen werden. 

Wir haben jedenfalls als Organisation, aber auch sehr persönlich von dem Siegelprozess sehr profitiert und sind heute noch sehr dankbar für die Möglichkeiten der über die SPKoM organisierten Schulungsangebote und freuen uns auf die nächsten Schritte. 

Das Bewusstsein für Rassismus steigt immer weiter und muss noch weiter steigen. Betroffene sind im Alltag immer wieder damit konfrontiert. Sowohl individueller als auch struktureller und/oder institutioneller Rassismus sind häufig so internalisiert, dass dieser nicht bewusst ist. Die Wirkung ist trotzdem da – ob beabsichtigt oder nicht. Rassistische Diskriminierung verletzt die Grenzen der betroffenen Menschen und wird begleitet von Ausgrenzung und Entwertung. Für das Selbstverständnis der Menschen hat dies massive Folgen. Doch was sind die Folgen von Rassismus für die Gesundheit der Betroffenen? Und wie sieht der Rassismus in der Gesundheitsversorgung aus? 

Wo liegen da die Schwierigkeiten? 

Diesen Fragen widmete sich der Online-Fachtag „Rassismus in der psychosozialen Gesundheitsversorgung“, welcher im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus am 23.03.2023 stattfand. Der Fachtag wurde in Kooperation der SPKoM Bergisches Land (PTV Solingen e. V.), SPKoM Köln (Gesundheitszentrum für Migrant*innen Köln), SPKoM Südliches Rheinland (AWO Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg e.V), SPKoM Westliches Rheinland (Aachener Verein e. V.), SPKoM MEO-Region (SoNII e. V.), SPKoM Mittleres Rheinland (Düsseldorf/Rhein Kreis Neuss, Graf Recke Stiftung) und der Servicestelle Antidiskriminierungsarbeit des Diakonischen Werks Leverkusen organisiert und durchgeführt und bestand aus zwei Impuls-Vorträgen sowie einer regen Diskussions- und Fragerunde. 

Amdrita Jakupi machte den Anfang mit ihrem Vortrag zum Thema „Struktureller Rassismus im Gesundheitswesen“. Die studierte Politik- und Sozialwissenschaftlerin ist zugleich auch systemische Familien- und Trauma-Therapeutin. Gemeinsam mit Roxanna Lorraine-Witt und Gianni Jovanovic gründete sie im März 2021 den gemeinnützigen Verein save space e.V. in Köln, eine Plattform mit dem Fokus auf Intersektionalität, Inklusion, digitaler sowie traumainformierter und sensibilisierter Bildungsarbeit und Empowerment. Sie führte in das komplexe Thema zu Beginn mit der Definierung des Begriffs Rassismus und seinen historischen Wurzeln in der Medizin ein. Die Dimensionen von strukturellem Rassismus im Gesundheitswesen stellten einen weiteren Schwerpunkt dar, die Folgen und Auswirkungen wurden anhand von Beispielen und Begebenheiten skizziert. 

Amdrita Jakupi legte ihren Schwerpunkt auf die Erfahrungen der Gruppe der Sinti:ze und Rom:nja und zeigte explizit die Rassismen gegen diese Gruppe anhand von verschiedenen medizinischen Experimenten und kriminalpräventiven Maßnahmen. Abschließend stellte sie in ihrem Ausblick dar, wie die Auswirkungen vom Rassismus aufgearbeitet werden können und welche Schritte aus ihrer Sicht hierfür notwendig wären. 

Der zweite Teil der Veranstaltung widmete sich praktischen Beispielen aus der Therapie und Beratung. Abiram Kasilingam ist Psychologe (M.Sc.) und psychologischer Psychotherapeut in Ausbildung. Darüber hinaus ist er Persönlichkeitscoach und Mitarbeiter im LVR-Kompetenzzentrum Migration. In seinem interaktiv gestalteten Votrag ist er unter anderem auf das Beispiel einer Fachkraft eingegangen, die von Rassismen seitens einer Patientin betroffen war. Anhand spezifischer Erörterung und unter Einbeziehung der Zuhörenden hat er diesen Fall praxisnah und detailliert aufgearbeitet. Im Anschluss an die Impulsvorträge gab es Raum für Diskussion und Nach- fragen. Mehrere Teilnehmende bekräftigten die Wichtigkeit des Themas. Frau A., Studentin der Sozialen Arbeit im letzten Semester und seit 3 Jahren in einem SPZ tätig, war begeistert von dem Tag. Da sie ihre Bachelorarbeit zum Thema „Folgen und Auswirkungen von Rassismus auf die psychische Gesundheit“ schreibt, war sie dankbar über die vielen wertvollen Informationen und auch Literaturhinweise, die sie bekommen hat. Die abwechslungsreiche und gute Struktur war sehr gut, sodass es nie langweilig wurde. Der Wechsel zwischen Theorie und Praxis machte alles sehr greifbar.“ Ihr sind von der Veranstaltung besonders zwei Momente im Gedächtnis geblieben, die viel in ihr ausgelöst haben: Die Information von Amdrita Jakupi, dass unter dem Deckmantel von kriminalpräventiven Maßnahmen genetische Experimente und Erbgut-Analysen an Rom:nja und Sinti:ze legitimiert wurden und teilweise heute noch in Europa und den USA missbraucht und fehlinterpretiert werden, war besonders erschreckend für Frau A. 

(von Amdrita Jakupi zitierte Quelle: DNA Data From Roma In Forensic Genetic Studies And Databases: Risks And Challenges (www.researchgate.net).

Einen besonders emotionalen Moment gab es im zweiten Teil der Veranstaltung. Im Rahmen von Abiram Kasilingams Input konnte Frau A. ihre eigene Rassismus- und Diskriminierungserfahrung in der Gruppe teilen. Auch wenn es sie viel Mut und Kraft gekostet hat, darüber zu berichten, war sie dankbar für die wertschätzende Annahme ihrer Erfahrungen. „Das Wissen, dass man mit dieser Erfahrung nicht allein ist, auch in der Rolle als Fachkraft, und es Menschen gibt, die einen unterstützen, war sehr hilfreich und beruhigend.“ Die besprochenen Lösungswege für die Praxis seien eine wertvolle Unterstützung für ihre berufliche Zukunft, so Frau A. 

EINBLICK

Ich fange diesen Artikel mit einem Dankeschön an: Alleine an Modul 1 der kultur- und differenzsensiblen Weiterbildung der SPKoM haben seit 2020 knapp 600 SPZ-Mitar-beitende und 50 Mitarbeitende von kooperierenden Stellen teilgenommen. Auch die Zahl der Teilnehmenden an den Aufbaumodulen ist erfreulich. Das funktioniert nur, wenn seitens der Teilnehmenden ein Interesse an kultur- und differenzsensiblen Themen besteht und sie bereit sind, hierfür Arbeitszeit zu investieren. Gleichzeitig muss es von Geschäftsführungs- und Leitungsebene ein „Go“ für Öffnungs- und damit auch Veränderungsprozesse geben, denn schließlich genehmigen sie entsprechende Fortbildungsanträge. Vielen Dank also an alle, die für kultur- und differenzsensible Arbeit Ressourcen vielfältiger Art zur Verfügung gestellt haben bzw. weiterhin stellen. 

Die Weiterbildungsangebote der SPKoM im Rheinland stehen seit 2023 unter dem Titel „Kultur- und Differenzsensibilität – Herausforderung und Chance“ Dabei geht es uns SPKoM-Trainer*innen darum, „Interkulturelle Kompetenz“ im Sinne eines komplexen Lern- und Erfahrungsprozesses zu erweitern. Dieser Prozess vollzieht sich auf den drei Ebenen „Bewusstsein“, „Wissen“ und „Handlungsfähigkeit“. 

Unser Verständnis von „Interkultureller Kompetenz“ orientiert sich an der entsprechenden Definition im 1. Teilhabe- und Integrationsgesetz NRW und umfasst demnach 

1. die Fähigkeit, insbesondere in beruflichen Situationen mit Menschen mit und ohne Zuwanderungsbiographie erfolgreich und zur gegenseitigen Zufriedenheit agieren zu können,

2. die Fähigkeit bei Vorhaben, Maßnahmen, Programmen etc. die verschiedenen Auswirkungen auf Menschen mit und ohne Zuwanderungsbiographie beurteilen und entsprechend handeln zu können sowie 

3. die Fähigkeit, die durch Diskriminierung und Ausgrenzung entstehenden integrationshemmenden Auswirkungen zu erkennen und zu überwinden. 

Dazu gehört auch, die Handlungskompetenz von Mitarbeitenden im Bereich Anti-Rassismus zu stärken und zur Bewusstseinsbildung für Rassismus als gesell-schaftliches Problem beizutragen. 

Je mehr Mitarbeitende diese Weiterbildung besuchen, desto weiter verbreiten sich kultur- und differenzsensibles Bewusstsein, Wissen und Handlungskompetenzen in allen Tätigkeitsbereichen der SPZ. Diese müssen jedoch auch auf „fruchtbaren Boden“ fallen, will heißen auf förderliche Rahmenbedingungen und Strukturen treffen. Die Weiterbildung von Mitarbeitenden ist somit nur ein Baustein im Prozess der „Interkulturellen Öffnung“ (IKÖ). 

Über die Online-Suche findet man eine Vielzahl an Checklisten, Leitfäden oder Hand-reichungen zur IKÖ. Auch dies ist eine positive Entwicklung: Es scheint einen großen Bedarf an solchen Materialien zu geben. Vergleicht man diese Materialien, so lassen sich grob folgende Bereiche benennen, in denen Prozesse der IKÖ eingeleitet werden können:

  • Steuerung: z. B. Verankerung im Leitbild, Steuerung der IKÖ über Zielvereinbarungen, Offenlegung von Messkriterien, Steuerungsgruppe/Beauftragte*r, Prozessorientierung;
  • Personal: z. B. interkulturell orientierte Einstellungspolitik, Ressourcenfreigabe zum Einsatz von SIM und Förderung des Erwerbs von Fremdsprachen, interkulturelle Teamentwicklung, interkulturelle Qualifizierungsmaßnahmen, migrationssensibles Beschwerdemanagement
  • Angebote/Leistungen: z. B. migrationssensible Ermittlung von Bedarfen; Entwicklung von Angeboten, die Hemmschwellen und Zugangsbarrieren entgegenwirken, Einbezug von Menschen mit Migrationshintergrund in die Angebotsentwicklung
  • Öffentlichkeitsarbeit/Vernetzung: z. B. Interkulturelle Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung mit Migrantenorganisationen, bedarfsorientiert mehr- sprachig gestaltete Informationsmaterialien, Homepages und Flyer, vielfaltssensible Gestaltung von Räumlichkeiten (vgl. ZiviZ gGmbH) 

In all diesen Bereichen tätig zu werden, erfordert vielfältige Ressourcen. Aber es zahlt sich aus – ebenfalls in vielerlei Hinsicht (siehe hierzu auch Artikel „SPZ Meckenheim erhält Siegel ‚Interkulturell orientiert‘ unter EINBLICKE). Wichtig scheint mir Folgendes: Wenn Weiterbildungen für Mitarbeitende unterstützt werden, Maßnahmen der Personal- oder Organisationsentwicklung jedoch abgelehnt werden, handelt es sich um ein sehr verengtes Verständnis von IKÖ. Im ungünstigsten Fall kann es Mitarbeitende, die Weiterbildungen zur IKÖ besucht haben, demotivieren: Sie sind nach der Weiterbildung motiviert, entwickeln neue kultur- und differenzsensible Ideen, wollen im Thema bleiben, werden aber gebremst, weil das nicht ins bestehende Konzept passt. Wichtig ist gleichzeitig aber auch: IKÖ bedeutet nicht, dass man von Anfang an eine komplette Checkliste mit ungezählten Unterpunkten angehen muss. Auch das kann blockieren bzw. demotivieren. Kleine Schritte sind gefragt, diese sollten aber konsequent und kontinuierlich gegangen werden. Im besten Fall werden dabei Prozesse sowohl von der Basis (bottom-up) als auch von der Leitung (top-down) angestoßen. 

Für Fragen rund um das Thema IKÖ sind die Mitarbeiter*innen der SPKoM im Rheinland gerne ansprechbar. Berichten Sie gerne über Ihre Erfahrungen – gute wie weniger gute sind gleichermaßen wertvoll. Und die Redaktion unseres SPKoM-Newsletters – Tanja Kulig-Braß und Puria Chizari – freut sich auch immer über Berichte aus den SPZ, z. B. zu guten Praxis-Projekten. 

Im vergangenen Jahr haben wir vom SPZ Ratingen die Kampagne #wirsindviele auf den Weg gebracht. Eine Mulitmediakampagne, bei der es uns darum geht, 

  • Mut zu machen, sich zu zeigen und Hilfe anzunehmen.
  • Zugänge zu Informationen und Hilfen auf unterschiedlichem Wege und in unterschiedlichen Sprachen zu schaffen. 
  • Sichtbarkeit, Akzeptanz und Selbstverständnis in gesellschaftlicher Teilhabe zu fördern. 
  • seelischen Erkrankungen ein Gesicht zu geben und damit Ängste und Vorurteile abzubauen sowie aufzuzeigen, dass auch mit einer psychischen Erkrankung gesellschaftliche Teilhabe und Lebensqualität möglich sind und selbst- verständlich sein müssen.

Wichtig ist uns, #wirsindviele anderen SPZ im Rheinland zur Verfügung zu stellen, damit auch Menschen außerhalb Ratingens von der Kampagne profitieren können. Wir freuen uns darauf, mit den Kolleg*innen anderer SPZ hierzu ins Gespräch zu kommen und damit Vernetzung und Kooperation intensivieren zu dürfen. Auch eine Beteiligung von Nutzenden anderer SPZ über die sozialen Medien ist unbedingt gewünscht. 

Wie ist #wirsindviele entstanden? 

In der Auseinandersetzung mit der Situation psychisch erkrankter Menschen vor Ort wurde uns zunehmend ein Handlungsbedarf hinsichtlich folgender Aspekte deutlich: 

  • Deutliche Zunahme von Hilfesuchenden in den vergangenen Jahren (auch Pandemie-bedingt). 
  • Erhebliche Versorgungsengpässe auf fachärztlicher und psychotherapeuti- scher Ebene. 
  • Nicht ausreichende Bekanntheit der Unterstützungsangebote der Sozial- psychiatrischen Zentren.
  • Nicht ausreichende Erreichbarkeit junger Betroffener.
  • Zusätzliche Barrieren in der Annahme von Hilfen für Menschen mit anderem Sprach- und Kulturhintergrund.
  • Erhebliche Scham und Minderung des Selbstwertes bei Betroffenen aufgrund ihrer Erkrankung, verstärkt durch die fehlenden Unterstützungsangebote, was das Selbstwirksamkeitsempfinden weiter deutlich reduziert, da ein Weg zurück in Stabilisierung, Gesundung und gleichberechtigter Teilhabe verschlossen scheint.
  • Unbedingte Notwendigkeit nachhaltiger Änderung gesamtgesellschaftlichen Denkens durch Sichtbarkeit, Aufklärung und Platzierung psychisch Erkrankter inmitten der Gesellschaft. 

AUSBLICK

Es war im März 1970, als einige Abgeordnete des deutschen Bundestages einen Antrag in den Bundestag einbrachten, die Lage der bundesdeutschen Psychiatrie zu überprüfen. Der Bundestag beauftragte daraufhin am 31.08.1971 eine Enquete zur Lage der Psychiatrie in der BRD. 1973 wurde vom ersten ärztlichen Leiter der damaligen Landesklinik, Alexander Veltin ein sogenannter Hilfsverein gegründet, – die Geburtsstunde des Vereins für die Rehabilitation psychisch Kranker, kurz Reha-Verein. 

Heute beschäftigt der Reha-Verein ca. 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist an über 10 Standorten in Mönchengladbach aktiv. Das Leistungsspektrum wurde stets erweitert und die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Sozial- und Gesundheitswesen professionalisiert. Als Ergebnis entstand in enger Kooperation mit der LVR-Klinik und dem Sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt der Gemeindepsychiatrische Verbund. Zum Reha-Verein gehört auch die Tochtergesellschaft Intres, die seit über 20 Jahren in der Versorgung Suchtkranker tätig ist. 

Im Jahr 2016 hat der Reha-Verein gemeinsam mit der Graf Recke Stiftung in Düsseldorf die Trägerschaft des 7. und damit jüngsten SPKoM im Rheinland übernommen, dem SPKoM Mittleres Rheinland. Beim Reha-Verein koordiniert Tanja-Kulig-Braß die SPKoM-Arbeit für die Versorgungsregionen Mönchengladbach, Kreis Viersen und Kreis Heinsberg. Für die Mitarbeitenden in seinen beiden Sozialpsychiatrischen Zentren hat der Reha-Verein die kultur- und differenzsensible Ausrichtung von Beginn an positiv unterstützt. 

In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben bereits 51 Mitarbeitende des Reha-Vereins (davon 2 der Intres) und 4 Mitarbeitende von Mönchengladbacher Kooperationspartnern an Modul 1 und Modul 2 der Kultur- und differenzsensiblen Weiterbildung des SPKoM Mittleres Rheinland teilgenommen. Bei den SPZ-Trägern AWO Viersen und Caritasverband Heinsberg, für die diese Module ebenfalls von Tanja Kulig-Braß organisiert und im Tandem mit Dr. Mohammad Heidari geleitet wurden, waren es insgesamt 40 SPZ-Mitarbeitende und 3 Kooperationspartner. 

Zum 50. Jubiläum des Reha-Vereins wurden in 2023 verschiedene Aktionen geplant. 

Bereits stattgefunden hat am 03.06.2023 die Aktion „Radeln oder Wandern für den guten Zweck“ zugunsten des Projektes KipE – Kinder psychisch kranker Eltern. 

Weitere Aktionen, zu denen Interessierte herzlich eingeladen sind, finden statt am: 

12.08.2023, 12:00 – 18:00 Uhr: Inklusives Familienfest auf dem Eickener Markt und in der Eickener Gemeinschaftshalle mit musikalischem Programm, Spiel und Spaß, Es-sen und Trinken, Informationsständen … Jünter kommt auch! 

20.10.2023: Fachtagung mit dem Schwerpunktthema „Inklusives Leben für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen“. Diese Veranstaltung wird im Mönchengladba-cher Stadtteil Rheindahlen stattfinden. Nähere Infos finden Sie zu einem späteren Zeit-punkt auf der Website des Reha-Vereins: www.rehaverein-mg.de 

Die WHO definiert körperliche Gesundheit als einen „Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person in der Lage ist, ihr Potenzial auszuschöpfen, die normalen Belastungen des Lebens zu bewältigen, produktiv zu arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft zu leisten“. In diesem Zusammenhang muss die psychische Gesundheit als eine wichtige Quelle des Humankapitals und des Wohlbefindens in der Gesellschaft betrachtet werden (WHO 2019, Mental Health Fact Sheet). 

Um sich diesem wichtigen Thema zu widmen, wurde 1992 der Aktionstag der psychischen Gesundheit, auch bekannt als Tag der seelischen Gesundheit – World Mental Health Day – von der World Federation for Mental Health (WFMH) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins Leben gerufen. Dieser findet jährlich am 10. Oktober statt. Der Aktionstag dient dazu, Menschen aufzuklären und auf psychische Krankheiten aufmerksam zu machen. Ziel ist es, Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit anzuregen und darzustellen. Es ist gewünscht, dass sich beteiligte Akteure zu dem Thema austauschen und gemeinsam mögliche Barrieren und Diskriminierungspunkte abbauen. 

Der Tag markiert den Beginn der Aktionswoche der psychischen Gesundheit. Vom 10. bis 20. Oktober 2023 setzt sich die Aktionswoche unter dem Motto „Zusammen der Angst das Gewicht nehmen” mit dem Thema Ängste in Krisenzeiten auseinander. Ziel der Aktionswoche ist es, auf die unterschiedlichen Bewältigungsstrategien und die vielfältigen psychosozialen Unterstützungsangebote in Deutschland aufmerksam zu machen sowie zum gemeinsamen Austausch und zur gegenseitigen Unterstützung aufzurufen. 

Veranstaltungen

Das LVR-Dezernat 8 veranstaltet dieses Jahr eine umfangreiche Migrationsfachtagung mit dem Titel “Anspruch vs. Realität – (wie) gelingt eine bedarfsgerechte psychosoziale Versorgung?“. Nach einem Rückblick auf 25 Jahre Bearbeitung des Themas Migration im LVR wird sich am ersten Tag mit dem derzeitigen Ist-Stand der Versorgungsstrukturen befasst. Anhand der Frage “Wo stehen wir?“ werden Anforderungen an Politik und Gesellschaft diskutiert. Mit Inszenierungen des Kabarettisten Fatih Çevikkollu sowie dem Ensemble Mondomuziko wird der erste Tag der Tagung ausklingen und dabei die Möglichkeit bieten, sich in entspannter Atmosphäre auszutauschen und zu vernetzen. 
Der zweite Tagungstag wird sich mit der Frage beschäftigen, was es braucht um eine bedarfsgerechte Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund zu gewährleisten. Gute Modelle, Konzepte und Impulse – Umsetzung in die Versorgungspraxis lautet hierbei die Überschrift. 

Berufsgruppen, die schwertraumatisierte Menschen beraten und begleiten, werden häufig mit Berichten über massive körperliche und sexuelle Gewalt konfrontiert. In der Beratung und Therapie erleben sie bei den Betroffenen Gefühle von Trauer, Wut und Hilflosigkeit. Manches Mal geschieht das so intensiv, dass sie sich nicht mehr von diesen Empfindungen distanzieren und sich in professioneller Weise abgrenzen können. Es ist daher wichtig, den Arbeitsalltag so zu gestalten, dass vorhandene Kraftreserven erhalten bleiben und zusätzlich neue Energien getankt werden können. Schwerpunkt des Seminars ist zum einen die Sensibilisierung für Anzeichen sekundärer Traumatisierung und Burn-Out beim Einzelnen und im Team. Zum anderen werden hilfreiche Maßnahmen zur Selbstfürsorge vorgestellt, wenn der Selbstschutz nicht mehr funktioniert.
Referentin: Dipl. Psych. Barbara Abdalla-Steinkopff, psychologische Psychotherapeutin

Anmeldung und Infos unter: https://www.refugio-muenchen.de/